Kapitel I: Ankunft in Tomahna
"Seit 20 Jahren trage ich ein Geheimnis in mir. Die Leute reden über meine Söhne und das Böse, das sie taten. Ich, ich spreche nicht über das, was ich tat, über den Hass, den ich empfand, als ich ihre Bücher verbrannte. Viele glauben, dass meine Söhne im Feuer umkamen, doch das stimmt nicht. Du bist der Einzige, dem ich vertrauen kann. Deshalb muss ich dich bitten nach Tomahna zu kommen. Ich muss dir etwas erzählen, es geht um meine Söhne"
Erst gestern erhielt ich Atrus Brief und seitdem geisterten seine Worte in meinen Gedanken herum, ließen mir keine Ruhe, hatten mich die ganze Nacht wach gehalten. Was er mir wohl über seine Söhne erzählen wollte?
"Das ist wirklich cool!" Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen und blickte zu meiner Linken, wo Yeesha, Atrus Tocher, saß, die mich begeistert ansah. Die zweisitzige Gondel, in welcher wir saßen, befand sich gut zehn Meter über den Boden und wurde in ihrer Fahrt immer schneller, was mir, zugegebenermaßen, etwas Unbehagen bereitete, war es doch schon sehr lange her, seit ich das Letzte mal hiermit nach Tomahna reiste. Yeesha schien die Fahrt richtig zu geniesen, oder war zumindest eine Meisterin darin, ihre Angst zu verbergen.
"Es sei denn," fuhr sie fort "man hat Angst vor engen Stellen. Ich und Vater haben keine, aber Mutter hält sich manchmal die Augen zu. Zum Glück ist sie gerade nicht da, sonst hätte ich dich sicherlich nicht alleine abholen dürfen."
"Hey, ist der Bildrekorder neu?" Dies war er in der Tat, doch war er mir zur Zeit gleichgültig, konzentrierte ich mich doch voll und ganz darauf die Haltestange vor mich zu umklammern und dabei mein Unbehagen möglichst zu verbergen. "Ich kenne eine gute Stelle, um ihn auszuprobieren ... Festhalten" Ich grinst sie gequält an, doch erstarrte mein Grinsen sofort, als sich die Fahrt weiter beschleunigte und es rasend schnell bergab ging. Meine Knöchel traten weiß hervor als ich mich verbissen gegen meinen Sitz drückte. Nur mit Mühe konnte ich meine Augen offen halten, als die Gondel eine scharfe Linkskurve machte, und nur haarscharf an den Felswänden vorbeirauschte, ehe sie nach einer weiteren Rechtskurve langsam zum Stehen kam. Der Anblick, der sich mir hier bot war atemberaubend und entschädigte zweifelsohne die halsbrecherische Fahrt. Angesichts dieses Ausblickes vergaß ich sogar die Tatsache, dass wir unzählige Meter über dem Boden schwebten und ein Absturz unser sicherer Tod gewesen wäre. "Ist Tomahna nicht schön von hier aus? Wenn du früher bei uns warst, hast du sehr gerne hier gehalten. Ist ja auch wirklich sehr schön. Nur zu mach ein Bild" Mit noch zitternden Händen holte ich meinen Bildrekorder hervor und hielt das überwältigende Panorama fest "Pass aber auf, dass dein Daumen nicht im Bild ist, Vater ruiniert so ständig unsere Bilder."
Kurz darauf setzte sich die Gondel auch schon wieder in Bewegung und kam bald an der Andockstation vor Atrus Observatium an, wo Yeesha auch sofort aus der Gondel heraussprang. "Ich sag Vater Bescheid!" rief sie mir noch zu, ehe sie im Inneren des Gebäudes verschwand. Noch ein wenig beommen von der Fahrt, jedoch überglücklich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben, stieg auch ich aus der Gondel aus und ging auf das Eingangstor des Observatoriums zu.
Im Innere dampfte es überall und Funken sprühten von den im ganzen Observatorium aufgestellten Maschinen, deren Sinn und Zweck mir völlig unbekannt war, jedoch geschäftig arbeiteten. Der Großteil des Raumes wurde von dem riesigen Teleskop in der Mitte der Sternwarte eingenommen, um das, neben all den Apparaten, noch einige Schreibtische und Regale aufgestellt waren. Durch das große, kreisförmige Fenster, durch welches man ganz Tomahna überblicken konnte, fiel das Licht der Mittagssonne und erleuchtete den ansonsten nur sehr spärlich ausgeleuchteten Raum.